Zum sechsten Mal beim Marathon vor der Haustür – der 6. VIVAWEST Marathon – jährlich grüßt das Murmeltier oder auch the same procedure as every year …

| 29.05.2018 | Gelsenkirchen| Vivawest-Marathon |

o Titelbild VIVAWEST 2018

Wo fängt man an, wenn man einen Bericht über eine Veranstaltung schreiben möchte, an der man mittlerweile zum sechsten Mal teilgenommen hat, sich die Strecke im Laufe der Zeit aber nur unwesentlich verändert und zu der man zudem schon mehr als nur einmal einen Erlebnisnachbericht verfasst hat. Vielleicht mit etwas Laufunspezifischen und einem endgültigen Abschied, der im direkten Zusammenhang mit dem Austragungsjahr 2018 steht.                                                                                                          [3865 more words]

Die sechste Austragung des VIVAWEST-Marathons findet nämlich in einem Jahr statt, das im Revier nicht unbedingt ein Schönes ist, aber trotzdem ein ganz Besonderes sein wird. Denn am Ende des Jahres endet im einstigen Kohle-Paradies das Zeitalter des schwarzen Goldes. Der Bergbau, der aus dem Ruhrgebiet einst eine florierende Region gemacht hat, schließt seine Tore. Auch wenn der Kohleausstieg ein über viele Jahre andauernder Prozess war, endet am Jahresende eine Ära, die die Region erschaffen und geprägt hat, und dank der zahlreichen überdauernden Industrierelikte auch noch weitere Jahre prägen wird. Nichtsdestotrotz schließt mit Prosper-Haniel in Bottrop im Dezember 2018 die letzte aktive Steinkohlezeche und damit findet auch der Steinkohlebergbau im Ruhrgebiet ein jähes Ende. Mit dem Steinkohleabschied heißt es endgültig „Schicht im Schacht“ und nach rund zweihundert Jahren ist der Steinkohlebergbau im Revier Geschichte.

Zu der persönlichen Sonderstellung des VIVAWEST Marathons als Haustürmarathon, die unter anderem daraus resultiert, dass er unmittelbar vor der eigenen Haustür stattfindet und dabei Teile meiner Trainingsstrecken kreuzt, habe ich in vorherigen Berichten ausreichend geschrieben. Auch darüber, dass diese Sonderstellung mit der Tatsache zusammen hängt, dass ich über den 1. VIVAWEST-Marathon 2013 den Weg zurück zum Laufen gefunden habe und seitdem ununterbrochen am Start der Austragungen der Folgejahre gestanden habe, ich also eine Finisher-Quote von 100% aufweisen kann. Darüber hinaus durfte ich im letzten Jahr als Laufbotschafter fungieren und im Jahr zuvor konnte ich als Helfer auch einen Blick hinter die Kulissen des VIVAWEST-Marathons werfen.

Mit dem Roller und alleine zum Musiktheater…

Im Vergleich zu den vorherigen Austragungen des VIVAWEST-Marathons kam es in diesem Jahr zumindest was die Anfahrt zum Start betrifft zu einem Novum: Während ich seit 2013 durchgehend mit Thorsten an der Startlinie stand und mit ihm auch zusammen zum Start gefahren bin, erfolgte meine Anfahrt in diesem Jahr mit dem Roller und ich stand aufgrund Thorstens defizitären Trainingszustandes ohne ihn im Startbereich. Die Anfahrt mit Roller hatte aber gleichzeitig auch den Vorteil, dass ich trotz Terrorblockaden fast direkt bis an die Ziellinie fahren konnte und meinen Roller am Gehweg vor der Fahrschuhe beinahe im Zielbereich parken konnte. Bis auf den verkürzten Fußweg und Situation vor dem Start war ansonsten vieles wie gehabt.

Vorprogramm: Glückauf! Der Steiger kommt…

An diesem Gedenktag, der ganz klar im Zeichen des Kohleabschieds gestanden hatte und zu dessen Ehren ein 10km-Kumpellauf ins Leben gerufen wurde, durfte die Hymne der Bergleute natürlich nicht fehlen. Deshalb trällert der Ruhrkohle-Chor in ihrer schwarzen Bergmannstracht vor dem Start das traditionelle „Steigerlied“:

  1. Glückauf! Glückauf! Der Steiger kommt. Und er hat sein helles Licht bei der Nacht und er hat sein helles Licht bei der Nacht, schon angezündt, schon angezündt.
  2. Schon angezündt, wirft`s seinen Schein, und damit so fahren wir bei der Nacht, und damit so fahren wir bei der Nacht, ins Bergwerk `nein, ins Bergwerk `nein.
  3. Ins Bergwerk ein, wo die Bergleut` sein, die da graben das Silber und das Gold bei der Nacht, die da graben das Silber und das Gold bei der Nacht, aus Felsgestein, aus Felsgestein.
  4. Der eine gräbt das Silber, der andere gräbt das Gold, und dem schwarzbraunen Mägdelein bei der Nacht, und dem schwarzbraunen Mägdelein bei der Nacht, dem sein sie hold, dem sei sie hold.
  5. Ade, Ade! Herbstliebste mein! Und da drunten im tiefen, finstren Schacht bei der Nacht, und da drunten im tiefen, finstren Schacht bei der Nacht, da denk ich dein, da denk ich dein.
  6. Und kehr` ich heim zur Liebsten mein, dann erschallet des Bergmanns Gruß bei der Nacht, dann erschallet des Bergmanns Gruß bei der Nacht, Glück auf, Glück auf, Glück auf!
  7. Wir Bergleut sein, kreuzbrave Leut`, denn wir tragen das Leder vor dem Arsch bei der Nacht, denn wir tragen das Leder vor dem Arsch bei der Nacht, und saufen Schnaps, und saufen Schnaps!

Inwieweit an dem Sonntag tatsächlich alle der sieben Strophen gesungen wurden, kann im Nachhinein gar nicht mehr sagen, ist aber auch eher unwesentlich.


Start frei aber wieder mit überflüssiger Marotte…

Der Start erfolgt in zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Wellen und wie gewohnt mit blau-weißem Konfetti-Regen und dem Mut machenden Applaus der zahlreich anwesenden Zuschauer. Doch bevor es tatsächlich dazu kommen soll, gibt es in diesem Jahr zur Abwechslung mal eine etwas umfangreichere Startverzögerung – eigentlich wie in jedem vorherigen Jahr auch schon, nur dass es in diesem Jahr ganze zwanzig Minuten waren. Als Wiederholungstäter könnte man meinen, dass dies traditionell dazugehört und als fester Bestandteil der Veranstaltung von vornerein eingeplant wird. Im Grunde genommen ist das Ganze aber trotzdem einfach nur unverständlich und irgendwie auch peinlich aufgrund der eklatanten Unfähigkeit!!! Und anstatt erheiternde Musik zu spielen, versucht man den sich wiederholenden Fauxpas damit zu kaschieren, dass man auf der Videoleinwand, die zudem nur für die allerwenigsten einsehbar ist, irgendwelche Interviews von Vertretern der Grubenwehr zeigt. Dass diesen durchaus informativen Beitrag so unmittelbar vor dem Start überhaupt niemanden von denen zu interessieren scheint, die im Startfeld stehen und mit den Hufen scharren, scheint am Programmverantwortlichen einfach vorbei zu gehen.

Start VIVAWEST MARATHON 2018

Kurz vor dem Start des 6. VIVAWEST-Marathons in Gelsenkirchen. Ich befinde mich im Startblock der der zweiten Startwelle.


Zum Glück war ich innerlich auf diese Situation schon eingestellt und bevor mein situativer Unmut in Ärger umschwenken konnte, startete der Moderator auch schon den Countdown und es sollte doch endlich losgehen. Ich hatte mich zunächst in der Nähe des 4:15h-Pacers einsortiert, relativ schnell lief ich dann aber auf den 4:00h-Ballon auf und überholte diesen im weiteren Verlauf sogar. Damit war im Grunde schon so früh im Rennen klar, dass sich diese fragwürdige Herangehensweise für mich eher früher als später rächen würde, aber noch waren die Temperaturen in einem einigermaßen erträglichem Bereich und den galt es für den Moment bestmöglich zu nutzen.

Streckenplan VIVAWEST MARATHON 2018

Der offizielle Streckenplan übernommen aus den Teilnehmer-Informationen des Veranstalters; In der Originalgröße abrufbar auf der offiziellen Homepage.

Nach dem Start lässt das erste Highlight nicht lange auf sich warten. Und mit Zeche Zollverein und Kokerei Zollverein wartet bei Kilometer acht gleich das UNESCO-Weltkulturerbe und damit das prominente Aushängeschild der Region. Nachdem das Eingangstor der Zeche passiert ist, wartet der erste Verpflegungsstation. Es geht vorbei am Casino, an diversen Fördertürmen, schwerem Gerätschaften und Überbleibseln irgendwelcher Kühltürme der ehemaligen Kokerei. Hier im Essener Norden auf dem Gelände von Zeche Zollverein wartet wie in den vergangenen Jahren auch schon das Triathlon-Team Essen 99 mit einem Steiger in seiner Original-Bergmannskluft, der stets gut gelaunt ist und den Läufern mit flockigen Sprüchen Beine macht. Das obligatorische Selfie mit ihm war auch in diesem Jahr wieder drin.

Zeche Zollverein in Essen

Auf dem Geläde des UNESCO-Weltkulturerbes der Zeche und Kokerei Zollverein in Essen.

Nachdem wir das Weltkulturerbe Zeche Zollverein in Essen nach rund zwei Kilometern hinter uns liegen gelassen hatten, ging es für die nächsten zwei Kilometer über den Nordsternweg bis zum Nordsternpark zurück nach Gelsenkirchen, wo mit Zeche Nordstern sogleich auch schon die zweite der drei großen Zechen warten sollte. Neben dem wie mit dem Lineal gezogen Nordsternweg, der während der Blütezeit von Kohle- und Stahlindustrie als Verbindungstrasse zwischen den beiden Zechen genutzt wurde und heutzutage zum Radweg umgebaut ist, wartet auf halber Strecke mit dem Deutschen Taubensportverband und einer Taubenklinik ein weiteres regionales Kuriosum und Nebenprodukt der montanen Epoche des schwarzen Goldes. Zum Ausgleich der schweren Maloche unter Tage hielten sich viele Bergleute in ihrer Freizeit die Rennpferde des kleinen Mannes. Die Behausung der Tiere, der sogenannte Taubenschlag hat sich entweder in einer Laube im Garten oder direkt auf dem Dach befunden. Analog zum Verschwinden der Zechen gerät auch diese Tradition mehr und mehr in Vergessenheit und man sieht nur vereinzelte Taubenschwärme am Himmel im Revier.

In unmittelbarer Nähe dazu wartet an einem eingerichteten Fanpoint ein Spalier aus knapp bekleideten Cheerleaderinnen. Und keine 200 Meter weiter lässt der Blick auf die orientalische Architektur der Fathi-Moschee in Essen-Katernberg schon längst vergessene Urlaubsgefühle wieder aufleben und das nicht nur aufgrund des Anblicks, denn auch die Temperaturen erreichen mittlerweile Werte, die einem mediterranen Hochsommer durchaus würdig sind. Rückblickend würde ich sagen, dass ich den erwartbaren äußeren Umständen entsprechend fast schon zu euphorisch ins Rennen gefunden habe. Wäre es allein um die Vorbereitungsphase gegangen, die sich vor diesem Marathon über einen zusammenhängenden Zeitraum von zwölf kompletten Wochen erstreckte und fast schon perfekt planmäßig verlaufen war, dann wäre mit der daraus resultierten Form durchaus eine Zeit von vier Stunden drin gewesen. Anhand der vielen Konjunktiven lässt sich allerdings schnell erkennen, dass die klimatischen Bedingungen im Nachhinein aber vielleicht doch eine bedachtere Herangehensweise verlangt hätten.

Auch wenn zugegebenermaßen zu Beginn noch relativ humane Temperaturen geherrscht haben, muss man konstatieren, dass die Bedingungen alles andere als ideal zum Marathonlaufen gewesen sind. Schon zu Beginn des Nordsternweges schlich sich bei mir die allmählich im Tagesverlauf ansteigende Temperatur zunehmend negativ ins Bewusstsein. Situationserschwerend kamen aber auch einige langegezogene und ansteigende Streckenpassagen hinzu, die ich aus den Vorjahren so gar nicht mehr auf dem Schirm hatte. Da den lokalen Printmedien keinerlei Informationen über tektonische Verschiebungen in GE zu entnehmen waren, ist davon auszugehen, dass diese auch schon in Jahren zuvor vorhanden gewesen sind. Vermutlich sind solch Nebensächlichkeiten dermaßen belanglos, dass  sie relativ zeitnah wieder aus der Erinnerung gelöscht werden.

Und obwohl uns das befürchtete Ausmaß an Megahitze mit Temperaturen von über 30°C erspart geblieben ist, musste ich zeitnah feststellen, dass selbst die erreichten 26°C, auf die sich das Thermometer einpendeln sollte, auch nicht unbedingt viel optimaler waren, um den Wohlfühlbereich nicht doch frühzeitig verlassen zu müssen. Die zwischenzeitlich erreichten bedenklichen HF-Werte sprachen eine deutliche Sprache und waren die ersten Vorboten und Indizien dafür, dass die Herausforderung des heutigen Tages nur mit angepasster Trinkstrategie, massiver externer Wasserkühlung und relativierter Zielsetzung erfolgreich zu Ende zu bringen ist. Da eine Hyperthermie um jeden Preis zu vermeiden ist, habe ich von Anfang an alles versucht, um die Körperkerntemperatur bestmöglich und mit den vorhandenen Mitteln während des Marathons runter zu regulieren. So habe ich von Beginn an keine Trink- und Duschmöglichkeit ausgelassen, jede Wanne, die am Wegesrand zur Verfügung stand, ausgiebig zur Kühlung genutzt, was mir vor allem  auch dank der Massen an vorhandenen Schwämmen den Umständen entsprechend erfolgreich gelungen ist. Schwämme in den Nacken und über den Kopf ausgedrückt, unters Shirt packt, in die Ärmel gestopft oder unter die Schulterträger des Shirts geklemmt, um die praktikabelsten Techniken zu nennen.

Aber schon beim langgezogenen Anstieg zum Halbmarathon zwischen Kilometer 20 und 21 war endgültig klar, dass ich meinen Pacezenit überschritten hatte und ich dieses Tempo auf keinen Fall bis zum Ende halten werde. Meine persönliche Leidenszeit sollte genau hier eingeläutet werden. Thorsten wartete wie vorab verabredet bei Ostermann und unser Cheat, der schon einmal in Düsseldorf seinen Marathonstart trotz nicht vorhandener Form gewährleistet hatte, sollte auch hier einwandfrei hinhauen. Und auch der weitere Verlauf ähnelte ziemlich stark dem Düsseldorf Marathon von 2016. Nach nur einen Kilometer, den wir zusammengelaufen sind, der zudem natürlich viel zu schnell für mich und den Moment gewesen war, trennten sich unsere Wege auch schon wieder. Denn schon gezeichnet von den vorherigen 23,5 Kilometer sprang meine HF in einen für mich physilogisch nicht mehr vertretbaren Bereich von über 184 Schlägen pro Minute und ich musste deutlich Tempo rausnehmen, wenn ich nicht an Ort und Stelle explodieren wollte.

Bei Kilometer 24 kommt mir die glorreiche Idee Thorsten meinen Chip mitzugeben und hier auf ihn zu warten, um mir bei akuter Hitzeüberlastung während der Prosper-Haniel-Schleife eine kleine Verschnaufpause zu gönnen. Nach einem relativ kurzen Moment im Wandermodus in Richtung Zeche Prosper Haniel normalisierten sich meine Vitalfunktionen wieder und ich erinnerte mich an mein eigentliches Ziel des heutigen Tages, das darin bestand, mir von Prosper Haniel ein Souvenir in Form eines Stückes Kohle mitzunehmen, was ich aber natürlich nicht erfüllen konnte, wenn ich hier auf Thorsten wartete. Zudem war es ja auch in diesem Jahr die letzte Chance, um durch ein aktives Steinkohlebergwerk zu laufen, die ich mir nicht entgehen lassen wollte. Im Nachhinein bin ich mir dankbar dafür, dass ich recht schnell wieder auf die richtige Spur gekommen bin und den eigentlichen Höhepunkt der Strecke nicht unter dem Einfluss von Mittagshitze und pseudo-zermürbenden Erschöpfungserscheinungen verpasst habe.

Nachdem ich mit der Situation einigermaßen wieder im Reinen war und ich mich gemächlich in Gang gesetzt hatte, kam mir auf der gegenüberliegenden Straßenseite Mark entgegen, der für seine anvisierte sub4h gut im Rennen lag und sich zu dem Zeitpunkt schon auf dem Rückweg zum Ziel am Musiktheater befand, aber auch noch 15 Kilometer zurückzulegen hatte. Auch er sollte auf dem letzten Drittel des Marathons für seine zu forsche Herangehensweise Tribut zahlen müssen. Bei Kilometer 25 kurz vor Prosper Haniel II überholt mich dann der 4:00-Stunden-Ballon, was die Situation allerdings nicht wirklich verkomplizieren sollte, da ich aufgrund der zu befürchtenden Außenbedingungen mein eigentlich anvisiertes Ziel von unter vier Stunden in weiser Voraussicht schon zuvor relativiert hatte und ich zu dem Zeitpunkt sowieso schon angeschossen unterwegs war. Beim ersten VIVAWEST Marathon 2013 hatte selbiger Überholvorgang – damals allerdings erst an der Doppelbogenbrücke im Nordstern-Park bei Kilometer 37 – noch zu einem abrupten Leistungsabbruch geführt.



Marathon-Herzstück die Zeche Prosper Haniel II

Die schnelle Rückbesinnung auf mein mir selbst auferlegtes Zusatzziel, was darin bestanden hat sich ein Stück echter Steinkohle von der letzten Zeche im Ruhgebiet als Souvenir mitzunehmen, vermochte die Situation irgendwie zu entspannen und gab mir wieder ein Ziel.  Doch auf dem Zechengelände angekommen, suchte ich zunächst vergebens nach einem Steinkohlestück. Weit und breit war keine Kohle zu erkennen, wobei allerlei Haufen und Berge mit irgendwelchem Abraumschutt in der Gegend rumlagen. Da auf dem Gelände auch einige Kumpels rumstanden, fragte ich mehrere von ihnen: „Gibt es hier auch Kohle – also ich mein so am Stück? – zunächst meinten alle unisono, dass wir hier auf dem Gelände einer Kokerei wären, wo das entgaste und wieder abgekühlte Koks direkt in die bereitstehenden Wagons verladen würden und aus dem übrigen Kohlestaub Briketts gepresst werden würden. Da das aber alles nicht das war, was ich mir vorgestellt hatte, dachte ich schon an Kapitulation.

Zeche Prosper Haniel II VIVAWEST Marathon 2018

Auf dem Gelände der Zeche Prosper Haniel II in Bottrop, die am 21.12.2018 endgültig schließt.

Doch dann kam ich an einer riesigen (geschätzt Durchmesser von 80m) kreisrunden Halle vorbei wo funkensprühend an einem Ungetüm von Maschine geschweißt wurde, die sich in der Mitte der Halle befunden hatte. Auf dem gesamten Hallenboden lagen Kohlestücke vom gleichen Kaliber. Wie sich bei meinen späteren Recherchen herausstellen sollte, war dies die RSV-Anlage der Schachtanlage Prosper II. RSV steht in dem Fall für Rohkohlen-Stapel- und Vergleichmäßigungsanlage, die auch als Mischhalle bezeichnet wird. Die Aufgabe der Anlage ist es „die geförderte Rohkohle zu einem gleichmäßigerem Produkt zu vermischen“, was einen weiteren Schritt zur Veredlung der Kohle ausmacht, wie der Prozess genau verläuft, kann ich euch nicht sagen, aber die Bergbautechnik im Deutschen Bergbaumuseum in Bochum wüssten darauf sicherlich eine befriedigende Antwort.

Zeche Prosper Haniel II

Ein Blick in Mischhalle verrät uns, dass hier noch (Mai 2018) schwer gearbeitet wird. Ausserdem ist der Förderturm und das eiserne Werkstor zu sehen.

Nachdem ich mein Stück Steinkohle gesucht, gefunden und sicher verstaut hatte, habe ich noch mit ein paar der anwesenden und rußverschmutzten Kumpels für Selfies posiert. Während des informativen und erfolgreichen Zwischenstopps hatte sich mein Kreislauf nach und nach wieder stabilisiert und meine Stimmung deutlich gehoben. Die Kilometer danach waren irgendwie deutlich entspannter und daran konnte selbst die sonst so lästige Wendestreckenpassage nichts dran ändern – denn ich wusste, dass Thorsten meinen Chip dabei hatte und dass ich gemütlich zu Ende kann, um dennoch eine einigermaßen respektable Zeit auf der Urkunde zu erreichen.



The Point of No-Return ist durchlaufen…

Die Temperatur stieg weiter und als mich bei Kilometer 32 dann auch der 4:15-Ballon überholt hatte, war bei mir wieder Kampf angesagt, da sich mir endgültig offenbarte, dass die sub4:15 heute auch nicht zu schaffen sein werden. Aber wie schon beim Überholvorgang des 4:00-Ballons hatte ich ja immer noch den Thorsten-Joker. Noch zehn Kilometer vor der Brust, aber im Glauben trotz zunehmender Schwierigkeiten zielzeittechnisch auf der sicheren Seite zu sein, da Thorsten ja mit meinem Chip unterwegs war, diese pseudo-Sicherheit sollte meinen Kampfgeist besänftigen und mich ein ums andere Mal guten Gewissens in den Walkmodus schalten lassen.

Kurz vor der Zeche Nordstern, die gleichzeitig der Hauptsitz des Hauptsponsors darstellt und dementsprechend rausgeputzt war, konnte ich dann live miterleben, wie eine Läuferin aufgrund der läuferunfreundlichen Verhältnisse am VP umkippt. Im Moment als ich am VP angekommen war und ich mein Standardkühlprogramm gestartet hatte, kam mir das aus der Entfernung gut wahrnehmbare schwankende Torkeln gleich verdächtig vor. Das kuriose an der Situation war allerdings nicht, dass sie Kreislaufprobleme hatte, sondern die Tatsache, dass sie sich am VP mit einem Sanitäter unterhielt, der die Situation aber irgendwie nicht richtig und vor allem nicht schnell genug einschätzte. Möglicherweise war es ihm auch aufgrund der Nähe auch nicht möglich ihr Schwanken wahrnehmen konnte.

Als ich am VP ankam, rief ich nur: „Halt die fest, die kippt gleich um!“, der Typ guckt mich verdutzt an, checkt allerdings erst gar nichts und dann kippt sie auch schon in seine Arme. Nachdem ich sie in den richtigen Händen wusste, startete ich mein Abkühlprogramm und es ging für mich weiter durch den Nordsternpark. Hier an Ort und Stelle hatte 2016 die XLETIX-Challenge Ruhrgebiet stattgefunden, die mittlerweile allerdings als XLETIX-Challenge NRW im Steinbruch bei Haan veranstaltet wird, wobei dazu gesagt werden muss, dass das Setting im Steinbruch um Welten spektakulärer ist als hier der Park.

In der Mitte des Nordsternparks befindet sich auch die futuristische Doppelbogenbrücke, und genau hier hatte mir der 4:00-Ballon vor fünf Jahren einen schmerzlichen und kampfentscheidenden Leberhaken verpasst. In diesem Jahr war es für mich weniger problematisch, da ich mein persönliches Waterloo schon bei Kilometer 24 erleben durfte. In diesem Jahr wartete auf die mittlerweile mehr oder weniger stark gezeichneten Läufer auf seiner erheiternden Art und Weise auch noch Michel – eine Mischung aus französischem Superman und Super Mario mit Gummi-Baguette in der einen und Ratsche in anderen Hand. Und genau zu dieser markanten Brücke führte mich auch einer meiner langen Läufe in der Vorbereitung. Doch eins steht definitiv fest, als ich zur #Kanalparade (Link zu TW) hier gewesen bin, waren irgendwie mehr Menschen am Start, um dem Schauspiel der Schiffsparade zum Kanal-Erwachen zu verfolgen – verdammt Schade eigentlich. Für lange Unterhaltungen blieb keine Zeit, Michel erzählte mir noch, dass er am nächsten WE nicht in Mönchengladbach sondern in Duisburg am Start ist und nach dem obligatorischen Selfie war der Smalltalk auch schon wieder vorbei und es ging für mich weiter in Richtung Musiktheater.

Bei Kilometer 38 in etwa treffe zu meinem Entsetzen und überraschenderweise Thorsten wieder – der ist mittlerweile auch schon im Wandermodus unterwegs und trinkt gemütlich aus seinem Becher, den er sich an der VP gegriffen hat. Ich bin ein Stück weit entsetzt, weil ich bis zu diesem Zeitpunkt noch ins Geheim davon ausgegangen war, dass er mit meinem Chip am Fußgelenk schon längst die Ziellinie passiert hatte. Schließlich war er erst bei Kilometer 23 eingestiegen und hätte dementsprechend für die zu absolvierenden 19 Kilometern frisch sein müssen, aber dem war nicht so. Ich lass mir meinen Chip zurückgeben, welchen er ja von Kilometer 25 bis hier getragen hatte. Nachdem er mir zu verstehen gegeben hatte, dass er noch ein eine Weile walken will, und mache ich mich unmittelbar auf in Richtung Musiktheater. Vier Kilometer vor dem Ziel ist der „Schock“ darüber, Thorsten unverhofft schon hier anzutreffen, schon recht ausgeprägt, aber es verleiht mir zugleich eine zweite Luft und lässt mich ohne ausgiebigere Gehphasen bis ins Ziel laufen.

500 Meter vor dem Ende hatte ich dann noch die beiden Koboldläufer am Streckenrand gesehen. Dasselbe „Kostüm“ hatte ich vorher schon irgendwann mal auf Facebook im Internet gesehen und hat mich köstlich amüsiert. Als ich dann fragte, ob der dritte Kumpel ein Foto machen könnte, war mein eigentliches Anliegen die beiden ST. Patricks Kobolde auf das Foto zu bekommen und nicht mich mit irgendwelchen mir unbekannten Typen ablichten zu lassen. Dummerweise war das aber nur bedingt erfolgreich. In der Linkskurve zur Zielgeraden wartete dann Familie Trichter, aber Zeit für einen langen Schnack hatte ich nicht, deshalb nur kurz mit Bandit und Lotti abgeklatscht und weiter zum Zieltor, um die Sache schnell zu Ende zu bringen. Auf dem Weg über die Ziellinie nochmal schnell die Cam gezückt, um die Zielzeit auf dem Foto zu haben – unter dem Strich steht eine Bruttozeit von 04:25:49, was einer  Nettozeit von 04:21:35 entsprochen haben soll.

Zielbogen VIVAWEST MARTHON 2018

6. VIVAWEST Marathon Haken dran – wir sehen uns am 19.05.2019 an gleicher Stelle.



Schicht im Schacht zumindest für heute…

Ein paar Meter hinter dem Ziel bekomme ich dann meine mittlerweile 6. Finisher-Medaille vom VIVAWEST-Marathon um den Hals gehangen. Nachdem Zieleinlauf muss mich allerdings mal kurz irgendwo anlehnen, denn auf der Stelle stehen erzeugt spontanen Protest meines Kreislaufs. Glücklicherweise legt sich dieses Unwohlgefühl relativ zeitnah wieder. Im Anschluss daran geht es auf dem schnellsten Weg zum Bierstand vom bayrischen Alkoholfreibrauer. Dort angekommen griff ich mir dann unverschämter Weise direkt zwei der frisch eingeschenkten Becher mit Bier und ging schnell zurück in Richtung Ziel, wo mir allerdings Thorsten mit seinen beiden Kurzen an den Händen auch schon entgegenkommt. Wie schon im letzten Jahr bekommen auch die beiden Kurzen für den Zieleinlauf mit Papa ihre Medaille umgehangen, was hier unbedingt nochmal Erwähnung finden sollte. Genauso bindet man frühzeitig seine zukünftigen Teilnehmer – eine tolle Veranstaltung mit vielen engagierten und motivierten Helfern. Auch wenn das Wetter leistungstechnisch als eher kontraproduktiv einzustufen ist, so hat es dennoch wieder Spaß gemacht, beim Haustürmarathon durch die heimatliche Hood mitgelaufen zu sein.

Nach einem zweiten Zwischenstopp am Bierstand geht es unmittelbar weiter zu meinem Roller, der dankenswerterweise nicht besonders weit vom Nachzielbereich entfernt parkt. Keine zehn Minuten später stehe auch schon zu Hause unter der Dusche. Nach dem Duschen holt mich Thorsten ab und es geht so wie seit der ersten Veranstaltung zum Griechen nach Eickel, wo wir es uns bei Weizen und griechischen Spezialitäten gut gehen lassen – ein traditionell gelungener Ausklang…



Abschließende Worte – Fazit – Resümee

Viel zu sagen bleibt mir eigentlich nicht mehr: Die Verpflegung, an den alle 3km zu findenden VPs war wie immer bedarfsgerecht – Wasser, DEXTRO-Elektrolyt, Cola und Bananen – sind im Grunde alles was man bei einem Langstreckenwettkampf als Läufer benötigt, warum aber an dem VP am Nordsternweg Fleischwurst auslag, will sich mir auch mit zeitlichem Abstand nicht erschließen. Davon abgesehen waren alle VP stets mit zuvorkommenden und vorbildlich motivierten Helfern besetzt. Mit Ausnahme der wiederholten Startverzögerung und der streckenweise nicht vorhanden Zuschauerresonanz eine durchaus gelungene Veranstaltung.



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Nachbericht: Der 1. VIVAWEST Marathon 2013 – mein Comeback in die Welt des längeren Laufens: Auf dem Weg zum Ultra

Nachbericht: Vor und hinter den Kulissen beim 4. VIVAWEST-Marathon 2016

Tag 1: Hinter den Kulissen des 4. VIVAWEST-Marathons – Tüten stopfen für den Evonik-Schulmarathon 2016

Tag 2: Hinter den Kulissen des 4. VIVAWEST-Marathons – als humanoide Maschine an der Flyer-Packstraße

Tag 3: Hinter den Kulissen des 4. VIVAWEST-Marathons – Ausgabe der Startbeutel

Vorbericht: Laufbotschafter für den 5. VIVAWEST-Marathon 2017 in Gelsenkirchen – mal eine neue Perspektive auf einen Marathon…

Kurz, knapp & bündig: Aus der Rubrik Mein Marathon Kriterien Kompass (08): 5. VIVAWEST Marathon 2017

Nachbericht: Zum 5. Mal auf altbekannter Route durch die heimatliche Hood – als 100% Finisher beim 5. VIVAWEST Marathon 2017

Vorbericht: Marathonpremiere 2018 im Mai – der 6. VIVAWEST-MARATHON verspricht zudem trotz eingekehrter Routine im besonderen Maße fordernd zu werden?!

Kurz, knapp & bündig: Aus der Rubrik Mein Marathon Kriterien Kompass (20): 6. VIVAWEST Marathon 2018



Wenn jetzt irgendwer irgendwie Lust bekommen haben sollte, einmal live dabei zu sein, wenn es durch meine heimatliche Hood geht, dann sagt vorher unbedingt Bescheid. Der Termin für den siebten VIVAWEST-Marathon steht schon fest. Er findet am 19.05.2019 statt und auch die online-Anmeldung sollte mittlerweile schon freigeschaltet sein…



in diesem Sinne Glück Auf! Rock ‚N‘ Roll & keep on RUNNING

Über SohlenRocker

Irgendwas zwischen laufverrücktem Kilometerfresser & multibewegtem Blogger. Ansonsten naturverbunden, outdoorbesessen, wissbegierig, sozialverträglich und ewiger SocialMedia-Neu-Entdecker...
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5 Antworten zu Zum sechsten Mal beim Marathon vor der Haustür – der 6. VIVAWEST Marathon – jährlich grüßt das Murmeltier oder auch the same procedure as every year …

  1. miberl schreibt:

    Sport, Kultur und Zeitgeschichte eine gute Mischung.

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    • SohlenRocker schreibt:

      Diesen abwechslungsreichen Dreiklag gibt es auf vielen Marathon-Strecken, man muss sich allerdings nur die Zeit nehmen zum Gucken, aber es gibt definitiv auch Ausnahmen!!! Freu mich aber schon auf meine zeitgenössische und kulturelle Sightseeing-Tour beim Berlin-Marathon Mitte September, weil die Strecke auf jeden Fall von allem etwas zu bieten hat!!!

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